Ein LymphWiki als Wissensdatenbank
Sie möchten mehr wissen über "Wasser" in den Beinen, über Lymphödeme und Lipödeme, die Maßnahme der Diagnose- und Indikationsstellung, über die KPE als Kompressionstherapie und ihr Phasenmodell als auch über die Möglichkeiten und Varianten der Kompressionsbestrumpfung?
Unser LymphWiki ist ein einfaches Nachschlagewerk und beinhaltet alles Wissenswerte zu den verschiedenen Ödemarten, der erforderlichen Diagnostik und den Behandlungsformen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen Ihnen als Betroffenen oder als Angehörigen und Helfer über die lymphologischen Krankheitsbilder zu informieren, damit Sie verstehen können, warum manche – auch unbequeme Therapie – hilft und wer dabei kompetent begleiten kann.
Lymphödem
Lymphödem - Definition
Ein Lymphödem ist eine Erkrankung des Lymphsystems. Die Lymphflüssigkeit wird nicht richtig abtransportiert, sie staut sich im Gewebe, Beine und/oder Arme werden dick (geschwollen).
Lymphödem - Arten
Lymphödeme werden nach ihrer Entstehung unterschieden.
- Das primäre Lymphödem ist die seltenere Form. Verantwortlich für den Lymphstau sind angeborene Fehlbildungen oder Funktionsstörungen des Lymphsystems.
- Das sekundäre Lymphödem entsteht als Folge von Operationen, Bestrahlungen, Krankheiten, Verletzungen oder Infektionen.
- Das Lipolymphödem entsteht, wenn zu viel Fett aufs Lymphsystem drückt.
- Das Phleb-Lymphödem ist die Folge von Venenerkrankungen.
Primäres Lymphödem
Das primäre Lymphödem ist die seltenere Form. Hier sind Teile der Lymphbahnen oder Lymphknoten von Geburt an nicht, nicht ganz, oder fehlerhaft entwickelt. Das kann Teile von Armen oder Beinen, die ganzen Arme oder Beine oder auch zentrale Körperregionen betreffen. Am häufigsten betroffen sind die Beine. Die typischen Schwellungen treten oft erst später im Leben auf.
Sekundäres Lymphödem
Das sekundäre Lymphödem hat immer eine vorausgehende Ursache, z.B.:
- Eine Verletzung, die Lymphbahnen oder Lymphknoten geschädigt hat.
- Eine Störung/Blockierung des Lymphflusses durch einen Tumor.
- Eine Operation, bei der Lymphknoten entfernt wurden. Z.B. werden bei Brustkrebsoperationen nicht selten die Lymphknoten in der Achselhöhle entfernt.
- Operations- und Bestrahlungsfolgen, z.B. Narben.
- Eine Entzündung infolge von Viren, Bakterien, Pilzen etc., auch rheumatische Entzündungen können die Ursache sein.
- Krankheiten wie chronisch venöse Insuffizienz (CVI) oder Diabetes.
Lipolymphödem (auch: Lip-Lymphödem)
„Lipo" steht in der medizinischen Sprache immer für „Fett". Ein Lipolymphödem entsteht, wenn bei stark übergewichtigen Menschen das Fettgewebe so stark auf die Lymphbahnen drückt, dass die Lymphe nicht mehr abfließen kann. Bei der Therapie ist deshalb eine Gewichtsabnahme wichtig – falls dies möglich ist.
Der Lymphstau beim Lipolymphödem kann auch dadurch ausgelöst werden, dass das geschwollene Fettgewebe eines Lipödems auf das Lymphsystem drückt. Abnehmen ist dann nur eingeschränkt möglich.
Phleb-Lymphödem
Die Silbe „Phleb" steht für alles, was mit den Venen zu tun hat, deshalb wird hier auch vom Venen-Lymphödem gesprochen. Venen- und Lymphsystem hängen eng miteinander zusammen und beeinflussen sich wechselseitig. Wenn das Venensystem gestört ist, z.B. durch Entzündung, Thrombose oder starke Krampfadern, kann in der Folge auch ein Lymphödem entstehen.
Lymphödem - Diagnostik
Es gibt verschiedene Lymphödeme, sie entwickeln sich verschieden schnell, manche über Jahrzehnte und sie sind mit ähnlich aussehenden Erkrankungen zu verwechseln, z.B. dem Lipödem.
Für die Therapie ist es sehr wichtig, dass die richtige Form des Lymphödems diagnostiziert wird. Leider ist die Lymphologie ein Stiefkind der Medizin, nur wenige Ärzte und Therapeuten verfügen hier über das notwendige Spezialwissen. Das Lymphologicum ist angetreten, dies zu verbessern. Als Patient können Sie Ihren Beitrag leisten, indem Sie sich über Ihr Erkrankungsbild informieren. Bei erfolgloser Therapie sollten Sie mit Ihrem Arzt sprechen und um die Überweisung an einen Spezialisten bitten.
Die Schwellung eines Lymphödems ist anfangs blass und weich. Ein Fingerdruck tut nicht weh, hinterlässt aber eine Delle. Die betroffenen Gliedmaßen fühlen sich schwer an und sind nicht mehr uneingeschränkt beweglich. In fortgeschrittenen Stadien werden die Schwellungen immer dicker, das Gewebe infolge von Ablagerungen immer härter, die Beweglichkeit ist deutlich eingeschränkt und die Patienten bekommen Schmerzen.
Am Bein beginnt ein Lymphödem oft an den Zehen und am Vorfuß. Als Test wird versucht, die obere Haut der zweiten Zehe mit zwei Fingern anzuheben. Wenn das nicht mehr gelingt, weil das Gewebe prall geschwollen ist, spricht man vom „Stemmer'schen Zeichen". Es ist ein typisches Zeichen für ein Lymphödem, jedoch: Auch wenn das Stemmer'sche Zeichen negativ ist, kann ein Lymphödem vorliegen.
Lymphödem - Behandlung
Lymphödeme sind meist nicht komplett heilbar, häufig ist eine lebenslange Therapie notwendig. Aber mit den richtigen Therapiebausteinen und Verhaltensweisen lassen sich die Probleme fast immer so weit reduzieren, dass Sie als Patient ein beschwerdefreies Leben führen können. Nachfolgend die wichtigsten Behandlungsansätze bei Lymphödemen:
- KPE: Komplexe physikalische Entstauungstherapie
- MLD: Manuelle Lymphdrainage
- Lymphologischer Kompressionsverband
- MKS: Medizinischer Kompressionsstrumpf
- Unterscheidung verschiedener Strümpfe
- Bewegungsübungen
- Hautpflege
KPE: Komplexe physikalische Entstauungstherapie
Die KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) ist die erfolgreichste Therapie bei vielen Lymphödemen. Das „K" im Namen steht für „Komplex" und zeigt an, dass die Therapie aus mehreren Bausteinen besteht.
Wichtig ist: Die KPE muss mit allen ihren Teilen konsequent und langfristig umgesetzt werden. Dann haben Patienten beste Chancen, beschwerdefrei zu werden. Wenn ein Teil vernachlässigt wird, verlieren auch alle anderen Teile erheblich an Wirkung.
Die KPE besteht aus zwei Phasen:
- Initialphase (Anschubphase, Entstauungsphase): In der Regel in einer Klinik, drei Wochen lang, bei Bedarf jährlich wiederholt.
- Erhaltungsphase: laufend. Die Häufigkeit der Therapietermine muss dem Bedarf angepasst werden.
Die KPE hat vier Bausteine:
- Manuelle Lymphdrainage
- Kompression
- Bewegungsübungen in Kompression
- Hautpflege
MLD: Manuelle Lymphdrainage
Die MLD ist eine spezielle Massagetechnik („manuell" = mit den Händen), welche das Lymphsystem stimuliert, mehr Lymphe abzutransportieren und damit das Lymphödem zu reduzieren. Ausgeführt wird die MLD von speziell ausgebildeten Masseuren oder Krankengymnasten (Physiotherapeuten). Sie arbeiten schonend und langsam mit kreisenden Bewegungen und bestimmten Handgriffen.
Lymphologischer Kompressionsverband
Ein lymphologischer Kompressionsverband übt genau dosierten Druck auf die Muskeln aus und unterstützt bei Bewegung den Abtransport der Lymphe. Kompressionsverbände werden besonders intensiv in Phase 1 eingesetzt. Der Erfolg der Bandagierung ist ganz wesentlich von Ihrer Mitwirkung als Patient abhängig: Wenn Sie sich konsequent bandagieren (lassen) und dann bewegen, reduziert sich das Lymphödem.
MKS: Medizinischer Kompressionsstrumpf
Wenn die akute Schwellung zurückgegangen ist, wird ein MKS (Medizinischer Kompressionsstrumpf) für Bein(e), Po/Hüften und/oder Arm(e) verordnet. Als Patient brauchen Sie zwei Sätze, damit Sie wechseln können. Spätestens alle sechs Monate sollten Sie neue Strümpfe bekommen, damit die Strümpfe genau passen und nicht ausleiern. Wirkungsvolle Kompressionsstrümpfe müssen möglichst eng anliegen und zusammendrücken wie eine zweite Haut.
Unterscheidung verschiedener Strümpfe
Verschiedene Krankheiten machen „Strümpfe" erforderlich. Deshalb gibt es auch verschiedene Strümpfe. Hier die bekanntesten und wie sie sich unterscheiden:
MTS: Medizinischer Thromboseprophylaxestrumpf
Der MTS wird umgangssprachlich „Stützstrumpf" genannt und ist meist weiß. Er schützt vor Thrombosen (Blutgerinnseln), deswegen müssen ihn z.B. bettlägerige Patienten im Krankenhaus tragen. Er übt nur wenig Druck auf das Gewebe aus und ist nicht für Patienten in Bewegung geeignet.
MKS: Medizinischer Kompressionsstrumpf
MKS werden bei Venenleiden, Lipödemen und Lymphödemen getragen. Grundsätzlich gibt es zwei Herstellungsformen, den RUND-gestrickten und den FLACH-gestrickten MKS, sowie vier Kompressionsklassen. Klasse 1 übt den wenigsten Druck aus, Klasse 4 den höchsten.
Bei Lymphödemen ist immer ein flachgestrickter MKS nötig. Er wird nach Maß angefertigt und bei Eiweißablagerungen können notwendige Polster eingearbeitet werden. Ein flachgestrickter MKS ist an seiner Naht erkennbar. Ein rundgestrickter MKS hat keine Naht und ist bei Lymphödemen ungeeignet, weil er an Wulststellen einschneiden kann, was weh tut und den Lymphstau verstärken würde. Kompressionsstrümpfe müssen Sie jeden Tag tragen, sonst verstärkt sich das Lymphödem wieder.
Bewegungsübungen
Spezielle Gymnastik und Bewegung beim gleichzeitigen Tragen der maßangefertigten Kompressionsstrümpfe fördert den Abtransport der Lymphe und reduziert das Ödem. Günstig sind „ruhige" Sportarten wie Spazierengehen, Wandern (nicht Bergsteigen), Radfahren, Schwimmen. Ruckartige Bewegungen, Verletzungsrisiken und Überanstrengung sollten Sie meiden.
In Ruhe sollten Sie, soweit es möglich ist, den Körperteil mit dem Lymphödem hochlagern.
Hautpflege und -schutz
Wenn Sie ein Lymphödem haben, ist es ganz wichtig, dass Sie täglich Ihre Haut begutachten und sorgfältig pflegen. Schon kleine Risse oder Verletzungen bergen ein großes Infektionsrisiko, weil die Heilung infolge des Lymphödems sehr langwierig sein kann, Infektionen sich dagegen leicht ausbreiten.
Achten Sie insbesondere auf Hände und Füße, gehen Sie draußen nicht barfuß und tragen Sie Handschuhe, zum Beispiel bei Haus-, Garten- und Handwerksarbeiten. Führen Sie die Fuß- und Fingernagelpflege vorsichtig durch oder suchen Sie eine Fußpflege auf.
Benutzen Sie möglichst keine parfümierten Wasch- und Pflegeprodukte, weil diese die Haut reizen können. Bevorzugen Sie ph-neutrale Produkte. Wenn Sie Kompressionsbandagen oder -strümpfe tragen, ist die Feuchtigkeitspflege für die Haut wichtig.
Lipödem
Lipödem - Definition
Schwellung im Fettgewebe
Dicke Oberschenkel, aber schlanke Fesseln, und weder Sport noch Diät helfen – das können die Anzeichen für ein Lipödem sein. Beim Lipödem sind die Fettzellen in bestimmten Regionen verändert, im Fettgewebe staut sich Flüssigkeit, es schwillt an, jeder Druck auf das Ödem tut weh. Lipödeme bekommen fast nur Frauen, die Beine sind häufiger betroffen als die Arme.
Was bedeutet Lip...?
Die Silbe „Lip" oder „Lipo" bedeutet im medizinischen Bereich immer Fett. Fett ist lebenswichtig, aber zu viel Fett ist ebenso ungesund wie zu wenig Fett. Für Notzeiten und große Belastungen braucht der Körper Energiereserven, diese werden im Fettgewebe gespeichert. Zudem hat das Fettgewebe noch andere Aufgaben, z.B. für die Hormonproduktion.
Das Fettgewebe bildet die unterste Schicht der Haut. Es besteht ganz wesentlich aus Fettzellen. Deren herausragende Eigenschaft ist, dass sie sich stark vergrößern und wieder verkleinern können, je nach Nahrungsangebot.
Frauen sind weit üppiger mit Fettdepot-Möglichkeiten ausgestattet als Männer. Aus Sicht der „Arterhaltung" ist das auch sinnvoll, denn um Kinder zu bekommen, müssen sie ausreichend „gepolstert" sein für neun Monate Schwangerschaft und das Stillen der Kinder.
Beim Lipödem schwellen diese Fettdepots übermäßig an, aber nicht, weil die Patientin zu viel isst und sich deshalb die Fettzellen vergrößern, sondern weil das Fettgewebe krankhaft verändert ist. Wie genau diese Veränderungen entstehen und aussehen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt.
Sicher scheint, dass die Fettzellen verändert sind und sich in den Räumen zwischen den Zellen Flüssigkeit staut. Das darf normalerweise nicht sein, denn das Fettgewebe verfügt nicht über Lymphgefäße, welche die Flüssigkeit wieder abtransportieren könnten. Da fast nur Frauen und die typisch weiblichen Reserveregionen von Lipödemen betroffen sind, wird ein Zusammenhang mit dem Hormon Östrogen vermutet.
Lipödem - Arten
Es gibt verschiedene Formen der Lipohypertrophie. Der sogenannte Oberschenkeltyp leidet zumeist unter einer Verdickung der Oberschenkel und des Gesäß, es entwickeln sich die sogenannten Reiterhosen. Als Ganzbein- Typ beschreibt die Lipohypertrophie das Gesäß, die Ober- und Unterschenkel bis hin zu den Knöcheln. Typisch ist, dass Knöchel und Füße ödemfrei sind. Auch die Variante des Unterschenkeltyps existiert, wobei auch hier Knöchel und Füße wieder ödemfrei sind.
Am Oberkörper kommen folgende Typen vor: Oberarm-, Unterarm- und Ganzarmtyp. Der Name des Typs beschreibt die jeweilige Ausprägung, wobei auch hier zu beachten ist, dass die Hände ödemfrei sind. Bei der zentralen Lipohypertrophie bilden sich die Fettstoffwechselstörung vor allem an den Oberarmen und –schenkeln aus.
Lipödem - Diagnostik
Wie erkennt man ein Lipödem?
Viele Lipödeme werden nicht erkannt und deshalb falsch oder gar nicht behandelt. Typisch für Lipödeme ist:
- Fast nur Frauen sind betroffen.
- Die Körperhälften sind gleich dick (symmetrisch).
- Die Haut „spannt", Druck auf das Lipödem tut weh, hinterlässt aber keine Dellen. Das Lipödem wird auch Lipohypertrophia dolorosa (schmerzhafte Fettvermehrung) bezeichnet.
- Oberschenkel und Po sind am häufigsten betroffen, als erstes zeigen sich „Reiterhosen". Typisch sind feste Polster innen an den Oberschenkeln oder Beine, die wie gerade Säulen bis zu den Fesseln gehen. Lipödeme an den Armen sind anfangs seltener, sie kommen eher im Lauf der Erkrankung hinzu.
- Die Fettansammlung ist unproportional, z.B. haben manche Patientinnen bei Hosen zwei bis drei Kleidergrößen mehr als bei Blusen oder trotz dicker Beine sind ihre Fesseln und Füße schlank.
- Viele Betroffene bekommen Blutergüsse schon bei leichtem Anstoßen.
- Im Verlauf der Erkrankung kommt eine Cellulite („Orangenhaut") hinzu.
- Häufig treten feine Krampfadern („Besenreißer") auf.
Womit kann man ein Lipödem verwechseln?
Für einen Arzt mit lymphologischem Fachwissen ist es kein Problem, ein Lipödem richtig zu erkennen. Wenn Sie möglicherweise betroffen sind, wenden Sie sich also unbedingt an einen Experten, denn: Dick ist nicht gleich dick!
Dazu kommt, dass Lipödeme sowohl die Folge einer anderen Fettverteilungsstörung sein können als auch andere Erkrankungen wie Adipositas oder Lymphödeme nach sich ziehen können. Bei der Untersuchung wird der Arzt also auch nach der Entwicklung der dicken Stellen fragen. Manche Lipödem-Krankengeschichte lässt sich bis in die Pubertät zurückverfolgen, schon auf Fotos aus schlanken Zeiten lassen sich die Verdickungen ausmachen.
Von folgenden anderen Erkrankungen und Fettverteilungsstörungen muss ein Lipödem unbedingt abgegrenzt werden:
- Lymphödem
- Lipolymphödem
- Lipom
- Adipositas
- Symmetrische Lipomatose des Rumpfes
- Extremitäten-Lipohypertrophie
Lipödem - Behandlung
Wie wird ein Lipödem behandelt?
Lipödeme sind nicht heilbar. Dennoch müssen Lipödeme unbedingt behandelt werden und die Probleme lassen sich meist deutlich reduzieren. Lipödeme sind eine Erkrankung, nicht einfach nur eine „ausgeprägte" oder „unvorteilhafte" Figur, die man eben hinzunehmen hat.
Wenn ein Lipödem nicht behandelt wird, verändert sich das Fettgewebe immer mehr, wird immer voluminöser und Folgeerkrankungen kommen hinzu. Die Behandlung reduziert Gewebeverdickungen und schädliche Folgen und verhindert eine Verschlimmerung.
Grundsätzlich ist wichtig, dass vor Behandlungsbeginn eine ganzheitliche Diagnose vorliegt, denn ein Lipödem darf nie isoliert betrachtet werden. Ist z.B. das Lipödem mit starkem Übergewicht kombiniert, muss auch dagegen etwas unternommen werden. Ist das Herz überlastet, muss die Herzleistung stabilisiert werden, sonst könnte der Organismus durch die Folgen des Lipödem-Abbaus überlastet werden.
Nachfolgend die wichtigsten Behandlungsansätze bei Lipödemen:
- KPE: Komplexe physikalische Entstauungstherapie
- MLD: Manuelle Lymphdrainage
- Lymphologischer Kompressionsverband
- MKS: Medizinischer Kompressionsstrumpf
- Unterscheidung verschiedener Strümpfe
- Bewegungsübungen in Kompression
- Hautpflege
- Liposuktion (Fettabsaugung)
Die KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) wird in Zusammenhang mit Lipödemen auch als „konservative" Therapie bezeichnet, im Gegensatz zur „operativen" Therapie, der Liposuktion. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nach einer Liposuktion immer eine KPE durchgeführt werden muss, denn ein Lipödem ist nicht heilbar.
KPE: Komplexe physikalische Entstauungstherapie
Die KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) entfernt bei einem Lipödem Lymphflüssigkeit aus dem Fettgewebe. Das „K" im Namen steht für „Komplex" und zeigt an, dass die Therapie aus mehreren Bausteinen besteht.
Wichtig ist: Die KPE muss mit allen ihren Teilen konsequent und langfristig umgesetzt werden. Dann haben Patienten beste Chancen, beschwerdefrei zu werden. Wenn ein Teil vernachlässigt wird, verlieren auch alle anderen Teile erheblich an Wirkung.
Die KPE besteht aus zwei Phasen:
- Initialphase (Anschubphase, Entstauungsphase): In der Regel in einer Klink, drei Wochen lang, bei Bedarf jährlich wiederholt
- Erhaltungsphase: laufend
Die KPE hat vier Bausteine:
- Manuelle Lymphdrainage
- Kompression
- Bewegungsübungen
- Hautpflege
MLD: Manuelle Lymphdrainage
Die MLD ist eine spezielle Massageart, welche das Lymphsystem stimuliert, mehr Lymphe abzutransportieren. Damit entsteht eine Art Sog, der dafür sorgt, dass Lymphflüssigkeit aus dem Fettgewebe verschwindet: Der Druck reduziert sich, das Gewebe ist weniger prall und die Druckempfindlichkeit des Lipödems lässt nach. Ausgeführt wird die MLD von speziell ausgebildeten Masseuren oder Krankengymnasten (Physiotherapeuten). Sie arbeiten schonend mit kreisenden Bewegungen und bestimmten Handgriffen. Besonders kräftige MLD-Griffe dürfen sie bei einem Lipödem allerdings nicht durchführen, da sonst Blutergüsse entstehen.
Kompression
Zur Kompression (= Druck) gehören zwei Bereiche: der lymphologische Kompressionsverband, auch Kompressionsbandage genannt, und Kompressionsstrümpfe. Die Kompression dient dazu, die Erfolge der MLD (Manuellen Lymphdrainage) zu erhalten, also einen Rückfluss der Lymphe ins Fettgewebe zu verhindern.
Lymphologischer Kompressionsverband
Ein lymphologischer Kompressionsverband übt genau dosierten Druck auf die Muskeln aus und unterstützt bei Bewegung den Abtransport der Lymphe. Kompressionsverbände werden besonders intensiv in Phase 1 eingesetzt, beim Lipödem allerdings erst nach einigen Tagen, wenn der größte Druck im Fettgewebe gelöst werden konnte und die schmerzhafte Druckempfindlichkeit nachlässt.
MKS: Medizinischer Kompressionsstrumpf
Wenn die akute Schwellung zurückgegangen ist, wird ein MKS (Medizinischer Kompressionsstrumpf) für Beine, Po/Hüften und gegebenenfalls die Arme verordnet. Als Patient brauchen Sie zwei Sätze, damit Sie wechseln können. Spätestens alle sechs Monate sollten Sie neue Strümpfe bekommen, damit die Strümpfe genau passen und nicht ausleiern. Wirkungsvolle Kompressionsstrümpfe müssen möglichst eng anliegen und zusammendrücken wie eine zweite Haut.
Unterscheidung verschiedener Strümpfe
Verschiedene Krankheiten machen „Strümpfe" erforderlich. Deshalb gibt es auch verschiedene Strümpfe. Hier die bekanntesten und wie sie sich unterscheiden:
Thromboseprophylaxestrumpf
Er wird auch „Stützstrumpf" genannt und ist meist weiß. Er schützt vor Thrombosen (Blutgerinnseln), deswegen müssen ihn z.B. bettlägerige Patienten im Krankenhaus tragen. Er übt nur wenig Druck auf das Gewebe aus und ist nicht für Patienten in Bewegung geeignet.
MKS: Medizinischer Kompressionsstrumpf
MKS werden bei Venenleiden, Lymphödemen und eben Lipödemen getragen. Grundsätzlich gibt es zwei Herstellungsformen, den RUND-gestrickten und den FLACH-gestrickten MKS, sowie vier Kompressionsklassen. Klasse 1 übt den wenigsten Druck aus, Klasse 4 den höchsten.
Bei Lipödemen werden grundsätzlich nur flachgestrickte MKS getragen, die nach Maß angefertigt werden, weil rundgestrickte MKS bei den extrem veränderten Körperformen eines Lipödems nicht passen. Ein flachgestrickter MKS ist an seiner Naht erkennbar (ein rundgestrickter MKS hat keine Naht). Die Anpassung muss sehr sorgfältig vorgenommen werden, weil zu wenig Druck wirkungslos ist, zu viel Druck jedoch schmerzt. Bei Lipödemen sind MKS täglich ganztägig zu tragen.
Bewegungsübungen
Spezielle Gymnastik und Bewegung beim gleichzeitigen Tragen der maßangefertigten Kompressionsstrümpfe fördert den Abtransport der Lymphe und reduziert das Lipödem. Günstig sind „ruhige" Sportarten wie Spazierengehen, Wandern (nicht Bergsteigen), Radfahren, Schwimmen. Ruckartige Bewegungen, Verletzungsrisiken und Überanstrengung sollten Sie meiden.
In Ruhe sollten Sie, soweit es möglich ist, den Körperteil mit dem Lipödem hochlagern.
Hautpflege und -schutz
Wenn Sie ein Lipödem haben, ist es ganz wichtig, dass Sie täglich Ihre Haut begutachten und sorgfältig pflegen. Schon kleine Risse oder Verletzungen bergen ein großes Infektionsrisiko, weil die Heilung infolge des gestörten Lymphabflusses sehr langwierig sein kann, Infektionen sich dagegen leicht ausbreiten. Schützen Sie deshalb bei allen Aktivitäten Ihre Haut, z.B. auch mit Handschuhen bei allen Haus-, Garten- und Handwerksarbeiten.
Benutzen Sie möglichst keine parfümierten Wasch- und Pflegeprodukte, weil diese die Haut reizen können. Bevorzugen Sie ph-neutrale Produkte. Wenn Sie Kompressionsbandagen oder -strümpfe tragen, ist die Feuchtigkeitspflege für die Haut wichtig.
Liposuktion (Fettabsaugung)
Eine Liposuktion (Fettabsaugung) kann die extrem verdickten Fettgewebeschicht eines Lipödems reduzieren. Zwei Dinge müssen hier aber grundsätzlich beachtet werden:
1. Die Liposuktion sollte nur von einem lymphologisch fortgebildeten und erfahrenen Mediziner durchgeführt werden, der schonende Methoden einsetzt, denn das ohnehin überlastete Lymphsystem darf auf keinen Fall verletzt werden.
Scheuen Sie sich als Patient nicht, den Mediziner nach seiner nachweisbaren lymphologischen Fachkompetenz zu fragen. Adressen von Ärzten, die sowohl Erfahrung in Liposuktion haben als auch lymphologisch qualifiziert sind, können Sie bei von Ihrem behandelnden Arzt oder Therapeuten erfragen.
2. Ein Lipödem ist grundsätzlich nicht heilbar. Die Krankheit ist begründet in einer krankhaften Veränderung der Fettzellen beziehungsweise des Fettgewebes und diese Veränderung lässt sich nicht wegsaugen. Seien Sie skeptisch bei Aussagen wie: „Lipödeme sind heilbar."
Was eine professionelle, schonende Liposuktion bei Lipödem aber bringen kann, ist eine Reduzierung der störenden Fettpolster: Das erkrankte Fettgewebe wird reduziert, der Druck lässt nach und die Beweglichkeit nimmt zu, Letzteres besonders, wenn Fett an den Innenseiten der Oberschenkel abgesaugt wird. Sofort nach einer Fettabsaugung muss die oben beschriebene KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie) konsequent durchgeführt werden, um den Erfolg der Liposuktion zu erhalten.
Die Kosten für eine Liposuktion tragen meist die Patienten. Nur in absoluten Ausnahmefällen bei schweren körperlichen Behinderungen zahlt die Krankenkasse.
Wie wird eine Liposuktion durchgeführt?
Grundsätzlich geht es bei einer Fettabsaugung darum, Fettzellen aus dem Fettgewebe zu entfernen. Entfernte Fettzellen können nur in sehr geringem Umfang wieder „nachwachsen".
In Fachkreisen anerkannt ist heute die schonende Liposuktion mit Tumeszenz-Lokalanästhesie. Für die Behandlung wird in das betroffene Fettgewebe die Tumeszenz-Flüssigkeit gespritzt: Sie enthält ein lokales Betäubungsmittel und Substanzen, welche die Fettzellen aus dem Gewebe lösen. Nach einer Einwirkzeit werden Tumeszenzflüssigkeit und Fettzellen vorsichtig mit einer Kanüle aus dem Gewebe abgesaugt. Zum Einsatz kommen hier spezielle Vibrationskanülen, die sich fein vibrierend an den Gewebestrukturen vorbeidrängen ohne sie zu verletzen.
LYMPHBIBLIOTHEK von A bis Z
Während des Fachgesprächs beim Arzt, dem Therapeuten oder Fachhändler bleibt häufig nicht viel Zeit, um alle Krankheitsinformationen aufzunehmen, zu verstehen oder gar zu hinterfragen.
In unserer Lymphbibliothek finden in der Sie eine Vielzahl von Fachbegriffen zum nachlesen und verstehen.